Nachts auf dem Friedhof

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Eine Schreibübung

„Was habe ich mir da bloss eingebrockt“, flüstert Pepe ängstlich zu sich selber. „Diese b-b-blöde Mutprobe ist doof.“ Ihre Stimme zittert. Es ist stockdunkel auf dem Friedhof. Nur der Mond gibt etwas Licht und die Grabsteine werfen unheimliche Schatten. „Ich will nach Hause“, jammert Pepe, aber sie traut sich keinen Schritt mehr zu machen.

Was raschelt da hinter hier? Hoffentlich kein gefährliches Tier, oder noch schlimmer, ein böser Geist. Da bewegt sich doch etwas.

Pepe wimmert angstvoll. Sie bekommt Schnappatmung und steht stocksteif im Schatten eines Grabsteines. „Wie komme ich lebend hier weg?“, fragt sie sich mit weinerlicher Stimme. Da bewegt sich tatsächlich etwas. Sie nimmt all ihren Mut zusammen und flüstert in die Dunkelheit: „hallo? Wer ist da?“

„Pepe?“ Fragt eine tiefe, ruhige Stimme. „Waaaas?“ Schreit Pepe kopflos und starrt furchtsam auf den Schatten, der hinter einem nahen Grabstein auftaucht. Langsam erscheint im Mondlicht ein… Mensch? „OPA??“, fragt Pepe verblüfft. Das kann nicht sein. Ihr Opa ist gestorben, als ihre Mama noch ein kleines Mädchen war. Aber der Mensch – oder ist es ein Geist? Oder eine Halluzination? – der sieht genau so aus wie ihr Opa auf den Fotos, die Pepe schon oft zusammen mit ihrer Mama angeschaut hat. 

 „Ja, liebste Pepe. Ich bin es, dein Opa und ich freue mich, dass wir uns treffen. Hab keine Angst, es ist alles gut“, antwortet ihr Opa vertrauensvoll. Pepe versteht gar nichts mehr. Aber ihre Angst ist beinahe weg, denn ihr Opa wirkt genau so friedlich, wie sie sich ihn vorgestellt hatte. „Opa, ich habe mich zu dieser schrecklichen Mutprobe überreden lassen und ich habe Angst. Ich will nach Hause, aber ich weiss nicht wie“ sagt Pepe angsterfüllt zu ihren Opa, der irgendwie „echt“ zu sein scheint.

„Ich helfe dir, mein Mäuschen“ beruhigt er sie. „Komm, legen wir uns hier ins weiche Laub und schauen den Sternen beim Reisen zu.“

Pepe erinnert sich, dass ihre Mama ihr erzählt hat, wie sie oft mit ihrem Papa Nachts draussen im Garten gelegen hat und sie zusammen die Sterne beobachtet haben. Sie erinnert sich an Sternbilder wie der grosse Wagen und dass man mit Hilfe der Sterne seinen Heimweg finden kann – so wie früher die Seefahrer.

Pepe legt sich neben ihren Opa und zusammen schauen sie den Sternen zu. Die verdorrten Blätter fühlen sich weich an unter Pepe’s Körper, fast wie ein Bett.

Sie kuschelt sich an ihren Opa und genießt seine Nähe. Glückselig schaut sie hoch zu den funkelnden Sternen.

„Oh, da bin ich wohl eingeschlafen“ denkt Pepe. Sie öffnet die Augen, setzt sich ruckartig auf und blinzelt mehrmals. Sie sitzt in ihrem kuscheligen Bett in ihrem Kinderzimmer in Sicherheit. „Aha, ich habe das vom Friedhof mit Opa also nur geträumt“, seufzt sie erleichtert. „Oh, was kitzelt mich da in meinen Haaren?“, fragt sie dann laut. Sie schüttelt ihre Locken und schaut mit grossen Augen auf das dürre Blatt, das auf ihre Bettdecke gesegelt ist.